Wie wichtig gutes Essen in der Kindheit ist
Elisabeth Ruckser ist am Stadtrand von Wien als Tochter eines Juristen und einer Lehrerin aufgewachsen. „Meine Mutter erledigte ihren Einkauf mit Vorliebe auf Märkten, wie etwa dem Meidlinger Markt. Samstags haben dort auch Bauern aus dem Wiener Umland verkauft, was gerade am Acker oder am Feld geerntet wurde. Bei uns daheim wurde also auch früher saisonal gekocht.“ Schon als kleines Mädchen half Elisabeth gerne beim täglichen Kochen und Marmelademachen. Besonders angetan hat es ihr aber das Backen: Das Anrühren von Teigen war immer mit einer Portion Neugier und Ungeduld gepaart, gespannt wartete sie vor dem Backrohr auf das fertige Ergebnis. Die Leidenschaft zum Kochen und Backen begleitet Elisabeth Ruckser auch später auf all ihren Wegen. Die studierte Politikwissenschaftlerin und Journalistin war als Studentin und später auch beruflich viel im Ausland unterwegs. „Das Interesse, mit Menschen auf der ganzen Welt zu kochen, barg neben vielen schönen Erinnerungen, die man sammelt aber ebenso die Erkenntnis, dass es ernährungstechnisch anderswo auf der Welt sehr schnell sehr knapp werden kann. In Simbabwe, wo ich eine Zeit lang für ein Forschungsprojekt war, stellt sich in schlechten Erntejahren nicht die Frage, was mir am besten schmeckt, sondern wie man seine Familie überhaupt satt bekommt.“
„Brotbacken ist unglaublich entschleunigend. Zugreifen, spüren, riechen, sich die Zeit nehmen, die es braucht. Das ist ein großer Gegenpart zur virtuellen Welt.“
„Was kann in einem Laib Brot, der einen Euro kostet, schon an wertvollen Zutaten enthalten sein? Wohl nicht sehr viel."
Eine kurze Geschichte des Brotes
Begibt man sich auf die Spuren des Brotes, findet man die ersten Hinweise bereits in der Jungsteinzeit. Im Rahmen ihrer vielen Recherchen zum Thema Brot weiß Elisabeth Ruckser: „Die ersten Brote waren zermahlene Gräsersamen, die man mit Wasser zu einem Brei vermischt und auf heißen Steinen gebacken hat. Brot, so wie wir es heute kennen, bekamen wohl erst die alten Ägypter so richtig hin.“ Über die Jahrtausende entstand die Kultur und Kunst des Brotbackens dann – zu unterschiedlichen Zeitpunkten, aber doch flächendeckend – auf der ganzen Welt.
Wenn es nach frischem Brot duftet
Brot ist für Elisabeth Ruckser das ursprünglichste aller Nahrungsmittel und hat gleichzeitig etwas enorm Sinnliches. „Der Duft, der während das Brot im Ofen ist durchs Haus zieht, ist unvergleichlich. Und dann kommt die Ungeduld. Weil: Ein frisches Brot muss erst auskühlen, bevor man es anschneidet. Wenn man dann den ersten Bissen genießt, das hat was extrem Archaisches. Das ist eine uralte Sehnsucht, die in dem Moment gestillt wird.“ Sie sieht Brot auch in der österreichischen Koch- und Backkultur als extrem verwurzelt. Ewas, das in keiner Region wegzudenken ist, das aber gleichzeitig überall anders schmeckt. „Der Getreideanbau, das Vermahlen von Korn und das Brotbacken sind flächendeckend typisch für die kulinarische Kultur des Landes. Viele Bäuerinnen hüten alte Brotrezepte über Generationen hinweg, es stecken viele persönliche Geschichten hinter der Tradition des Backens.“ Liebevoll gesammelt und zusammengefasst hat sie all diese Geschichten und viele Rezepte in ihrem jüngsten Buch „Bäuerinnen, Brot und Sehnsucht“.
Von langer Teigführung und alten Getreidesorten
Und wer nicht nur lesen, schmökern und in den eigenen vier Wänden experimentieren möchte, sollte sich auf den Weg ins nördliche Waldviertel machen. Dort hat Elisabeth in den historischen Räumen des ehemaligen Bürgerspitals in Drosendorf an der Thaya ihre Erste Waldviertler Bio-Backschule eröffnet. „Hier halte ich in den alten Räumen gemeinsam mit heimischen Bäckermeistern, Bäuerinnen und kreativen Köpfen Workshops rund um das Thema Brot ab.“ Alte Getreidesorten wie Emmer, Waldstaude, Purpurweizen oder Einkorn werden hier besonders wertgeschätzt und natürlich auch verbacken. Ein großes Thema ist hier natürlich auch die Herstellung und das Füttern von Sauerteig, dessen wichtigste Zugabe neben Mehl, Wasser und Salz wohl eines ist: Zeit. „Brotbacken ist unglaublich entschleunigend. Zugreifen, spüren, riechen, sich die Zeit nehmen, die es braucht. Da ist man auch sehr im Jetzt, es ist ein großer Gegenpart zur virtuellen Welt.“
Wieviel darf ein Laib Brot kosten?
„Was kann in einem Laib Brot, der einen Euro kostet, schon an wertvollen Zutaten enthalten sein? Wohl nicht sehr viel.“ Zu dieser Frage hat Elisabeth klare Ansichten: Gute Grundprodukte und Handarbeit haben einfach einen gewissen Preis. Den ein gutes Brot aber immer wert ist. Gern erzählt sie die Anekdote vom Markt, als eine ältere Frau meinte: „Das vermeintlich teure Brot esse ich bis zum letzten Scherzel, und das nach Tagen noch. Da ist das Supermarktbrot, das ein wenig günstiger ist, schon lange schimmelig oder hart und man muss es entsorgen. Und sich ein neues kaufen. Das kostet dann in Summe mehr, als das Brot, das einen ordentlichen Preis hat und auch denselben Wert.“ Ihre Philosophie, dass sie grundsätzlich nur biologisch erzeugte Lebensmittel zu sich nimmt, erklärt sie so: „Warum soll ich etwas zu mir nehmen, das industriell hergestellt ist und Inhaltsstoffe enthält, die ungesund sind?“ Sie bricht auch eine Lanze für die Bio-Landwirtschaft, denn nur wenn der Boden und die Umwelt gesund sind, gedeihen dort natürlich auch wertvolle Lebensmittel. „Auch der Klimawandel wird uns dazu zwingen bzw. tut es jetzt schon, dass wir die Art und Weise, wie wir uns ernähren neu denken und uns neu aufstellen müssen. Schließlich geht es letztlich um unser aller Leben.“ Ein Spagat, den in der Ersten Waldviertler Bio-Backschule bereits alle „gut gebacken“ bekommen. Hier lernt man den Wert von guten Produkten kennen, wie man sie richtig verarbeitet und gut damit wirtschaftet, denn Lebensmittel werden im Hause Ruckser auch nicht weggeschmissen, sondern anderweitig verarbeitet.
Das Leben am Land
Obwohl Elisabeth Wien nach wie vor sehr schätzt, hat sie ihren Lebensmittelpunkt mittlerweile auch im Waldviertel. „Ich bin schon ein urbaner Mensch, ich liebe es, wenn sich was tut, die Geschäfte, die Märkte, die Kultur, das möchte ich alles nicht missen. Aber während des ersten Lockdowns, als man in Wien nichts mehr machen konnte, da hab ich gespürt, wie wichtig für mich das Land ist, das Leben mit der Natur. Wenn man mitbekommt, wie die Jahreszeiten kommen und gehen, das erdet. Man spürt, auf was es am Ende des Tages wirklich ankommt.“ Gemeinsam mit ihrer Familie verbringt sie soviel Zeit wie möglich in einer alten Mühle direkt an der Thaya. Hier hat sie einen großen Gemüsegarten, hinterm Haus ist eine Wiese mit alten Obstbäumen. „Beim Hochwasser vor einigen Jahren war das alles überflutet. Auch im Haus hatten wir das Wasser. Da standen dann die Nachbarn mit dem Traktor auf der anderen Seite der Thaya und meinten: „Wir holen euch da raus.“ Und später dann, als wir das überschwemmte Haus gesehen haben: „Das kriegen wir schon wieder hin.“ Das ist auch Landleben, wenn die Naturgewalten einmal nicht so nett mit einem umgehen. Dafür gibt es hier viel Zusammenhalt, man passt aufeinander auf und hilft sich.“
Auf Handwerksurlaub nach Drosendorf
Die Stadtmauerstadt liegt idyllisch an der Thaya, rundherum viel Wald. Der Marktplatz mit alten Bäumen und barocken Bürgerhäusern ist ein beliebtes Fotomotiv bei Touristen. Radfahrer passieren Drosendorf, wenn sie den Kamp-Thaya-Marchradweg fahren, der direkt durch den Ort geht. Die Stadt hat gutbürgerliche Gasthäuser, ein Mohnkaffeehaus mit Spezialitätenladen und Buchverkauf, mehrere Unterkünfte und einen Eissalon. Einen eigenen Jazzclub im Bürgerhaus und das Thayabad lädt zum Flussbaden ein. Etwas, das auch Elisabeths Brotbackfans zu schätzen wissen: „Die meisten kommen nicht nur zum Kurs her, sondern verbinden den Aufenthalt hier gleich mit einem Kurzurlaub.“ Manche müssen das sogar, mittlerweile kommen die TeilnehmerInnen nämlich sogar aus Deutschland und der Schweiz. Das Konzept ist so erfolgreich, dass Elisabeth Ruckser es ausgeweitet hat. „In der Servus-Akademie, die es seit heuer gibt, kann man im Rahmen von Tages- und Mehrtageskursen alte Handwerkstechniken erproben oder Kräuterwissen erwerben. Wir kochen alte Rezepte nach oder zeigen Kochtechniken her, die eigentlich schon verloren gegangen sind. Vortragende sind hier übrigens nur die besten ihres jeweiligen Faches, die dazu aus ganz Österreich ins Waldviertel reisen, etwa die Ernährungswissenschafterin Karin Buchart, der Kamptaler Wirt Karl Schwillinsky oder Gartenbuchautorin Veronika Schubert. Die Akademie ist ein Herzensprojekt von Elisabeth Ruckser. „Wir haben von früheren Generationen soviel an Wissen und Techniken gelernt. Alles, was wir nicht weitergeben, geht unwiederbringlich verloren. Das ist das Ziel dieser Akademie im Bürgerspital, das Wissen an Interessierte und an die jüngere Generation weiterzugeben!“
Im Waldviertel betreibt die Genussethikexpertin Elisabeth Ruckser ihre Erste Waldviertler Bio-Backschule. Die Workshops beschäftigen sich mit der Wahl des richtigen Mehls, mit alten Getreidesorten sowie dem Ansetzen von Sauerteig und natürlich dem Backen von verschiedenen Broten und Gebäck. Im Zuge der Servus-Akademie werden hier außerdem Kurse zu vielen weiteren alten Handwerkstechniken und Themen wie Kräuterkunde oder Wirtshausküche gelehrt.
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