Alle sagten, das geht nicht. Dann kam einer, der wusste das nicht und hat’s einfach gemacht.
So oder so ähnlich könnte man die Philosophie der Trendsportart Freerunning beschreiben und damit verbunden den Weg von Sportwissenschaftler und Bewegungstherapeut Michael Kloiber. In der sanft-hügeligen Landschaft Niederösterreichs aufgewachsen, konnte in der intakten Natur ein Teil von ihm prächtig gedeihen: sein Bewegungsdrang. Kein Baum war ihm als Kind zu hoch, kein Weg zu lang, kein Sprung zu weit. Baumhäuser wurden gebaut, Fahrradrennen mit Freunden veranstaltet, spielerische Wettkämpfe an warmen Sommertagen ausgetragen. Schon immer suchte Michael nach dem gewissen Etwas. Im Schulsport fand er dies nicht, zu restriktiv war der Unterricht angelegt. Verständlicherweise, wie er heute sagt, oblag die Sicherheit der Schüler doch dem jeweiligen Lehrer. So inskribierte er an der Universität Wien und während des Studiums der Sportwissenschaften fand er letztlich das, was ihm seine grenzenlose Freiheit bescherte: Freerunning.
„Die Idee, im AKW Zwentendorf zu trainieren, entstand während einer Besichtigung“
„Mit der richtigen Technik kann man von größeren Höhen runterspringen, ohne dass die Gelenke Schaden nehmen. Ich glaube, es ist heutzutage ein wichtiger Beitrag, wenn man Kinder und Jugendliche zur Bewegung motiviert und sie von ihren Tablets und Smartphones wegholt"
Jeder kann sich selbst verwirklichen
„Die Definition von Freerunning ist so weit gefasst, dass alles einfließen kann. Ob Kampfsportler, Breakdancer oder Snowboarder, man hat die Möglichkeit, sich selbst zu verwirklichen. Das ist das Reizvolle daran.“ Seit 2003 betreibt er diese Sportart und gründete erst in Wien (und später in St. Pölten) den ersten offiziellen Freerunningverein in Österreich. Was in einem kleinen Team begann, wuchs sprunghaft an. Hallen wurden angemietet, Contests in Kooperation mit großen Firmen veranstaltet und bald darauf war die Idee zum Bau des ersten Freerunningparks geboren, welche 2014 am Gelände des Ratzersdorfer See verwirklicht wurde.
Von Jackie Chan bis zum AKW Zwentendorf
Michaels Inspirationsquelle war Jackie Chan. Seine Filme, seine Moves, das alles beeindruckte ihn maßgeblich. Mehrfache Saltosprünge, Präzisionslandungen auf schmalen Mauern, es ist ein Sport, der räumlich wie zeitlich völlig frei zu handhaben ist. Michael selbst ist heute jemand, der in jedem Zaun, jeder Stange, jeder landschaftlichen Begebenheit keine Hindernisse mehr sieht, sondern Möglichkeiten. Sofern legal, versteht sich. Dass alte Fabriken oder das nie in Betrieb gegangen AKW Zwentendorf für Freerunner attraktive Trainingsplätze sind, braucht da nicht mehr groß verwundern. „Die Idee, in Zwentendorf zu trainieren, entstand während einer Besichtigung. 2016 wurde dieser Traum Wirklichkeit und wir konnten einen Tag lang Fotos und Videos in dieser einzigartigen Location machen. Die Geländer, die Plattformen, die Struktur ist einzigartig.“ Aber auch gefährlich: „Dort gibt es keine Matten, keine Absicherungen, man muss wissen, was man tut.“
Kalkulierte Gefahr
Das Risiko ist Michael immer vollends bewusst: „Natürlich haben auch wir Angst, wir sind keine wahnsinnigen Adrenalinjunkies, es ist alles kalkuliert. Man muss sich stark mit dem eigenen Körper auseinandersetzen, trainieren und auf die Ernährung achten, damit man sich weiter entwickelt.“ Ein Widerspruch, könnten Skeptiker nun behaupten, schließlich setzen Freerunner durch riskante Aktionen ihre Gesundheit aufs Spiel? „Ein kalkuliertes Risiko“, meint Michael. „Das, was wir machen, machen wir nur, wenn wir zu 100 Prozent davon überzeugt sind, dass es funktioniert. Es geht nicht um irgendwelche Likes oder Clicks. Wir lernen, auf den eigenen Instinkt zu hören. Leute, die damit nur beeindrucken wollen, machen das nicht lange.“
Als Sportwissenschaftler vertritt er die Meinung, dass der menschliche Körper ohnehin zu viel mehr imstande ist, als zu dem, was im täglichen Gebrauch von ihm verlangt wird: „Mit der richtigen Technik kann man von größeren Höhen runterspringen, ohne dass die Gelenke Schaden nehmen. Ich glaube es ist heutzutage ein wichtiger Beitrag, wenn man Kinder und Jugendliche zur Bewegung motiviert, sie ermutigt ihre Potentiale auszuschöpfen und sie von ihren Tablets und Smartphones wegholt.“ Raus in die Natur, um den eigenen Körper zu spüren und dieses Freiheitsgefühl, welches Michael so viel bedeutet, einmal selbst zu erleben.
Bis zu 15.000 Interessierte besuchen das Atomkraftwerk Zwentendorf im Jahr, Führungen gibt es jeweils Freitags.
AKW Zwentendorf 2344 Maria Enzersdorf, EVN Platz Kontakt für Führungen: akw@zwentendorf.com Telefon: +43 2236 200-0 Web: https://zwentendorf.com
Der Verein AFF St. Pölten hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Sportarten Parkour, Freerunning und Tricking zu fördern und zu verbreiten.
© Daniel Gollner (Foto ganz oben), alle weiteren Fotos Günter Fischer und Thomas Großschmidt (art of pix)