Matthias Schorn, geboren in Salzburg, war schon als Kind „immer von Musik umgeben“: Der Großvater war ein vielseitiger Musikant und Chorleiter, der Vater spielte zeitlebens Klarinette in der Musikkapelle. Und auch für Matthias begann das Musizieren in der örtlichen Kapelle mit Marschmusik, böhmischer Blas- und alpenländischer Volksmusik. Die Wahl des passenden instrumentalen Begleiters für diese Reise fiel auf die Klarinette. Dass er jemals Berufsmusiker werden würde, stand damals eigentlich weniger zur Diskussion, er sollte das Lastwagenunternehmen seines Vaters übernehmen, was für ihn „auch gepasst hätte“. Zu ernsthaft schien der Beruf des Musikers, er wollte nie den Spaß am Musizieren verlieren.
„Es geht nicht um das Arbeiten mit einem Instrument, sondern ums Spielen. Die Energie und der Zauber, der im Zuge des Musizierens entstehen kann, wird mich nie loslassen.“
Von der Energie des Musizierens
Für Matthias Schorn ist der Umgang mit der Klarinette bis heute ein spielerischer geblieben: „Es geht nicht um das Arbeiten mit einem Instrument, sondern ums Spielen. Die Energie und der Zauber, der im Zuge des Musizierens entstehen kann, wird mich nie loslassen. Manch einer betrachtet die Mona Lisa im Pariser Louvre und erfährt dieses Hochgefühl dort, ich erlebe es beim Musik machen. Wenn ich mein Instrument spiele, bringe ich andere Menschen zum Lachen, zum Tanzen, zum Juchazen oder auch zum Weinen. Das kann man nicht rational erklären. Die Wissenschaft spricht von Schallwellen und dergleichen, recht technisch das Ganze. Für mich hingegen tut sich da ein eigenes Universum auf: Diese freigewordene Energie ist unglaublich packend und ergreifend. Genau für solche Momente spiele und lebe ich.“
Auf allen Bühnen daheim
Und das kann wirklich überall passieren: Im zünftigen Wirtshaus beim gemeinsamen Liederabend. Oder im Wiener Musikverein bei der 4ten, letzten Sinfonie von Johannes Brahms, wenn 100 Musiker:innen eine Partitur gemeinsam mit ihren Instrumenten und Gefühlen so verinnerlichen, dass 2000 Zuhörer:innen im Saal Gänsehaut bekommen. Oder beim Woodstock der Blasmusik, wo an 4 Tagen rund 60.000 Besucher:innen zu klassischer und modern interpretierter Blasmusik so richtig abgehen. „Diese Vibes, das können nur Menschen erzeugen, im direkten Zusammenspiel. Das wird eine künstliche Intelligenz nie nachahmen können“, ist Matthias Schorn überzeugt davon, dass es beim gemeinsamen Musizieren nicht nur darum geht, Noten perfekt zu spielen, sondern – im Zusammenspiel mit dem Publikum – etwas gemeinsam zu erleben.
„Mein Kulturbahnhof bietet den Menschen Platz, deren Luxus Kreativität und Freiheit sind.“
Die Reise durch Klang- und Lebenswelten
Nachdem die Entscheidung gegen die Mechanikerlehre und zugunsten der Klarinette ausfiel, studierte Matthias vorerst bei Alois Brandhofer am Mozarteum in Salzburg und anschließend bei Johann Hindler an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien. Seine Orchesterlaufbahn begann Schorn als Klarinettist beim Radio Symphonie Orchester Wien, 2007 wurde er nach Stationen beim Deutschen Symphonie Orchester Berlin und den Münchner Philharmonikern als Soloklarinettist innerhalb der Wiener Philharmoniker engagiert. Seine musikalische Laufbahn ist wenig geplant gewesen, und oft passiert. Aber es war immer ein Weg, den Matthias Schorn, wie er heute befindet, beherzt in Angriff genommen hat. Wohin es zukünftig beruflich geht, da will er sich nicht festlegen, weil man sich dadurch auch Wege versperren kann, wenn man zu weit voraus denkt. Auch der Kulturbahnhof in Altenmarkt-Thenneberg, einer kleinen Gemeinde im Wienerwald, war eigentlich nie ein Lebensziel, sondern ist Matthias Schorn „so passiert“.
Von Salzburg nach Wien in den Wienerwald
Für „die perfekte Work-Life-Balance“ ist er vor zehn Jahren nämlich mit seiner Frau Daniela – einer Waldviertler Musikerin – von Wien ins Triestingtal gezogen. Zwischen Familienurlaub in der Salzburger Heimat, gelegentlichen Besuchen im Waldviertel und der beruflichen Verpflichtung in Wien erschien Altenmarkt eine gute Alternative, um sich eine gemeinsame Homebase zu schaffen. Dass diese Alternative mittlerweile eine richtige neue Heimat geworden ist, liegt – wieder einmal – auch an der Musik. „Hier gibt es vier Chöre, das kann nur ein inspirativer Ort sein“, erzählt Matthias über seine erste Assoziation mit der idyllischen 2000-Seelen-Gemeinde im Wienerwald, wo sich die Schorns schließlich ein Haus kauften. Und dann war da noch ein stillgelegter Bahnhof, der ebenfalls gerade zum Verkauf stand.
„Der Bahnhof hat eine eigene Energie: Hier sind schon vor 100 Jahren Menschen aufeinandergetroffen, Frachten und Güter wurden transportiert und verschoben, es war hier immer alles in Bewegung.“
Ein Bahnhof wird zur Pilgerstätte
Nach vielen Renovierungsarbeiten ist der Kulturbahnhof ein richtiges Schmuckstück geworden. Matthias betreibt hier ganzjährig seine „Haltestelle für Kunst aus allen Richtungen“ als Kleinkunstbühne mit eigenem Tonstudio und einem Kulturcafé – sowie einer angeschlossenen Unterkunft. Bis zu 80 Personen bringt er bei Veranstaltungen unter, sofern nicht ohnehin outdoor auf den alten Gleisanlagen gespielt wird. Dann steht Matthias selbst hinter der Bar und geht – ganz in der Tradition seiner Großmütter – in seiner Gastgeber-Rolle auf: „Wir schenken Hainfelder Bier aus, die besten Natursäfte von Josef Krenn aus Furth an der Triesting. Und der Wein kommt von Danis Cousin, dem Ludwig Buchecker aus Gedersorf im Kremstal. Das Catering für die Events wickle ich mit den heimischen Bauern ab, die ihre selbstgebackenen Brote und Mehlspeisen anbieten. Klein, aber sehr fein.“ Zu sehen und zu hören sind 2022 etwa Thomas Gansch mit Band und seiner „Schlagertherapie“, die Divinerinnen, Karl Markovics liest aus „Atlas einen ängstlichen Mannes“ von Christoph Ransmayr, Peter Natterer und Philippine Duchateau geben „Contamporary Jazz“ und August Zirner erweckt im November den „Kleinen Prinz“ von Antoine de Saint-Exupéry wieder zum Leben. „Dieser Ort bietet den Menschen Platz, deren Luxus Kreativität und Freiheit sind. Das findet man bei uns, man muss nur genau hinsehen und hinhören, und sein Herz dafür öffnen.“
Der Kulturbahnhof Altenmarkt-Thenneberg
Nach behutsamen Adaptierungen hat Matthias Schorn – Klarinettist, Pädagoge, Kulturschaffender und Mitglied der Wiener Philharmoniker – den Bahnhof Altenmarkt-Thenneberg einem neuen Zweck zugeführt und zu einer Haltestelle für Kunst mit Kleinkunstbühne, Tonstudio und Kulturcafé umfunktioniert. Für Pilger, Wanderer, Radfahrer und Entdecker stehen Übernachtungsmöglichkeiten im alten Gepäckwagen oder in der ehemaligen Bahnwärterwohnung zur Verfügung.