Frühmorgens gehört der Schlosspark Grafenegg allein seinen wilden Bewohnern: Rehe grasen friedlich entlang der Waldgrenze, ein Vogel nach dem anderen stimmt in den Weckgesang ein, das Summen zahlreicher Insekten mischt sich als Grundtonus darunter. Alexander Malik startet seinen Arbeitstag üblicherweise in den Morgenstunden. „Gärtner sind Frühaufsteher, Chef-Gärtner sowieso.“ Malik ist dem Schlosspark Grafenegg schon seit der Kindheit und später dann seinen Studienjahren eng verbunden: „Mein Vater war Landschaftsarchitekt und führte hier vor rund 30 Jahren für die Familie Metternich-Sándor die ersten Revitalisierungsprogramme im Park durch. Ich war eigentlich immer schon ein Naturkind und auch damals oft mit, hab dann später daran angelehnt Landschaftsplanung und -pflege an der BOKU Wien studiert. Und schließlich sogar meine Diplomarbeit über den Schlossgarten verfasst.“ Wohl niemand kennt deshalb auch die 650 Baum- und Straucharten auf der insgesamt 32 Hektar großen Fläche so gut wie er.
„Mein Vater war hier früher Landschaftsarchitekt und führte Revitalisierungsarbeiten im Garten durch. Ich führe seine Arbeit jetzt – halt auf meine Art und Weise – fort."
„Ich treffe den ganzen Tag Leute, die den Park für Spaziergänge oder zum Joggen nutzen. Der Menschenschlag hier am Wagram ist ein sehr entspannter. Man begegnen sich recht offen.“
Vom barocken Garten zum Arboretum
Um zu den ersten Wurzeln des Parks zurückzukehren, muss man das Rad der Zeit um 300 Jahre zurückdrehen. Der erste Garten war ein barocker Sterngarten, der ab Mitte des 17. Jahrhunderts entstand, zusammen mit einer prächtigen Allee aus Linden, weiten Feldern und Weinbergen. Der wegweisende Einschnitt, welcher sein Aussehen nachhaltig veränderte, war der Umbau des Schlosses um das Jahr 1850. „Damals wich der Renaissancestil dem der Tudorgotik, gleichzeitig wurde der Garten in einen dem englischen nachempfundenen Landschaftsgarten umgestaltet. Dessen Hauptaugenmerk lag auf der Pflanzung von exotischen Bäumen und Sträuchern.“ Nach den beiden Weltkriegen schließlich verwilderte der Park zunehmends. Erst die Revitalisierungsarbeiten unter Alexander Maliks Vater ließen die verborgenen Schätze wieder auftauchen. Schwarzkiefern, Winter-Linden, Rotbuchen, Ginko und Riesenmammutbaum wachsen hier neben Scheinzypressen und Weihrauchzeder, Ahornblättrigen Platanen oder dem Riesenlebensbaum. Dazwischen eine erhöhte Telefonzelle auf einer Lichtung, Kleiderständer, die zwischen Bäumen aus dem Boden wachsen und ein Memento Mori mit Reh in einer Buchsbaumhecke. Unerwartet stören zeitgenössische Kunstobjekte inmitten des wogenden grünen Meeres nur auf den ersten Blick. Auf den zweiten Blick erzeugen sie eine überraschende Spannung und erweitern den Schlosspark um eine weitere Dimension.
Einem jeden seinen Baum ...
Für Malik ist jeder einzelne Baum, jeder einzelne Strauch dieses Arboretums Teil einer großen Komposition. Dass dieser Ort bestens mit der Hochkultur harmoniert, stellen Tausende Musikbegeisterte alljährlich beim Grafenegg Festival unter der Leitung von Rudolf Buchbinder unter Beweis. Die berühmtesten Orchester und Musikerinnen und Musiker aus aller Welt stehen hier im August und September auf der Bühne und erfüllen die gewaltige Open-Air Bühne Wolkenturm und den Schlosspark mit Klang. Seit 2007 werden Composer in Residence geladen, um inspiriert vom besonderen Ort ein Werk zu verfassen. Von der besonderen Verbindung von Natur und Musik zeugen auch die Komponistenbäume: Seit Beginn des Festivals ist es Tradition, dass der jeweilige Composer in Residence seinen eigenen Baum pflanzen darf. Krzysztof Penderecki, James MacMillan oder Peter Ruzicka sind nur einige der berühmten Komponisten, die sich hier mit dem Pflanzen eines Komponistenbaumes für immer verewigt haben.
Refugium für Alle
Doch nicht nur Liebhaber der Klassik finden sich rund um das Schloss ein. Der Schlosspark selbst ist ganzjährig – 24 Stunden am Tag – für alle Natur- und Ruhesuchenden geöffnet. Malik trifft bei seinen Rundgängen auf viele bekannte Gesichter, während er seiner Arbeit nachgeht, den Rasen mäht, Sträucher und Hecken schneidet und hartnäckiges Unkraut in schier meditativer Ruhe zupft. „Viele Einheimische nutzen den Park für erholsame Spaziergänge. Man kennt sich, grüßt sich, gibt auf Nachfrage gerne den einen oder anderen Gartentipp preis. Die Menschen, deren Wege sich hier mit den meinen kreuzen, besitzen allesamt ein herzliches, offenes Gemüt.“ Auf ihren Ausflügen finden viele von ihnen Worte des Lobs für ihn und seine drei Mitarbeiter. Sie schätzen die harte Arbeit, die das Team tagtäglich bei jeder Wetterlage verrichtet, denn, wie Alexander schmunzelnd anmerkt: „Bei Sturm und Regen beneidet uns keiner um unser Tun.“ Auch der Klimawandel macht hier nicht halt und dem Gärtnerteam und vor allem dem Landschaftspark zusehends zu schaffen: Bäume sterben ab, da sie den Witterungsbedingungen nicht mehr gewachsen sind. „Um der Trockenheit entgegenzuwirken, arbeiten wir aktuell unter anderem an einem neuen Bewässerungssystem. Parallel pflanzen wir aber natürlich auch klimafitte Bäume und Sträucher.“ Wie der Park wohl in einigen Jahrzehnten aussehen wird?
Kultur und Natur in perfekter Harmonie
Fit ist man auf alle Fälle als Gärtner. Trotz viel Bürotätigkeit, die auch erledigt werden will, ist Alexander Malik meistens an der frischen Luft, die Arbeit ist sehr abwechslungsreich. Vom Heckenschneiden über Totholzpflege, vom Rasenmähen und Neupflanzungen bis hin zum gewöhnlichen Rasenmähen, halt in anderen Dimensionen, reichen seine To-do´s. Allen Herausforderungen zum Trotz ist das Tagewerk für Alexander rundum erfüllend: „Das Besondere an diesem Ort ist diese Kompaktheit. Man bewegt sich durch die Natur und nimmt die Jahreszeiten wahr. Ich erspähe mit etwas Glück ein Reh oder ein Eichkätzchen. Man hat einerseits jahrhunderte alte Baumriesen, und wandert ein paar Meter weiter über große offene Wildwiesenflächen. Wenn man das vergleichen will, könnte man sagen, der Park ist wie eine Sinfonie, in der jede Note – und in diesem Fall jede Pflanze – an ihrem richtigen Platz steht, und wo jeder für sich seinen persönlichen Kraftort findet. Ich glaube, diese komponierte Vielfalt, die aber nicht gewollt wirkt, macht den Reiz für mich aus“ sinniert Alexander, der in seiner Freizeit in einer Metal-Combo Bass spielt; als Ausgleich zu so viel Harmonie sozusagen.
Was es alles in Grafenegg gibt:
Das Areal von Schloss Grafenegg ist ganzjährig 24 Stunden für Besucherinnen und Besucher geöffnet. Es beherbergt neben dem prägnanten Schloss Grafenegg besonders viele alte exotische Baumriesen. Seit 2007 findet hier das renommierte Grafenegg Festival unter der Leitung von Rudolf Buchbinder. Nächtigen kann man direkt am Gelände in den zeitgemäßen Grafenegg Cottages . Wer es liebt, rundherum verwöhnt zu werden, quartiert sich am besten in Toni Mörwalds Romantik Restaurant und Hotel «Schloss Grafenegg» ein und genießt die haubengekrönte Küche und die edlen Tropfen aus der umliegenden Weinregion Wagram. Für Konzertbesucher bietet Toni Mörwald Picknickkörbe zum Abholen an, lauschige Plätze bietet der Schlosspark zur Genüge!