„Die Hände sind das Werkzeug menschlicher Intelligenz“, sagte einst Maria Montessori. Ein Zitat, das Jakob Mayer täglich lebt. Denn er wusste schon in jungen Jahren, wo seine Leidenschaft Wurzeln schlagen wird. Nach mehreren Aufenthalten im Ausland und Momenten der Rastlosigkeit führte ihn das Schicksal auf den richtigen Weg. Just in dem Moment, als der Mutter der Pensionsbescheid ins Haus flatterte, war Jakob klar: Nun ist es soweit, ich werde den Betrieb in Michelbach in Niederösterreich übernehmen. „Schon mein Großvater hat die Elsbeere gehegt und gepflegt, stets gegossen und sorgsam nachgepflanzt. Eine Tradition, die meine Eltern weiterführten und die ich heute mit Stolz in eine neue Zukunft geleiten darf.“ Jakob war schon immer ein Mensch, der in Bürojobs keinen rechten Sinn für sich erkennen konnte und der in der Landwirtschaft sprichwörtlich aufblühte. Nach dem erfolgreichen Abschluss der Fachschule für Lebensmitteltechnologie in Pyhra waren die Weichen auch in fachlicher Hinsicht gestellt. „Ich hatte dazwischen verschiedene Jobs, die allesamt gutes Einkommen lieferten und meinen Weitblick schärften, dennoch fühlte ich mich unvollständig. Irgendetwas fehlte.“ Heute kann man wohl sagen, dass das „Wilde“ fehlte.
„Die Hände sind das Werkzeug menschlicher Intelligenz.“
„Schon mein Großvater hat die Elsbeere gehegt und gepflegt, stets gegossen und sorgsam nachgepflanzt. Eine Tradition, die meine Eltern weiterführten und die ich heute mit Stolz in eine neue Zukunft geleiten darf.“
Niederösterreichs „wilder“ Schatz
„Wir haben neben der Wildfrucht der Elsbeere auf unserem Hof natürlich noch Äpfel, Birnen, Zwetschgen, Kirschen und vieles mehr. Aber wir merkten schnell, dass die Elsbeere besonders ist.“ Daher gründete man einen Verein, um deren Bekanntheit zu steigern. Die Geschichte sollte erzählt werden. „Bei uns stehen Bäume, die zwischen 200 und 300 Jahre alt sind. Mein Großvater wusste schon damals, dass der aus den Beeren gewonnene Schnaps ein Allheilmittel ist. Und auch Martin Luthers Frau, so erzählen es die Überlieferungen, bat bei Magenverstimmungen um ein Stamperl. Abgesehen davon schmeckt er gut“, schmunzelt Jakob. Für Neugierige wurde mit dem Haus der Elsbeere in Michelbach ein Verkaufs- und Präsentationsraum geschaffen, der jeden Besucher in die Welt der Frucht eintauchen lässt.
Wenn Jakob mit seinem Traktor hinausfährt auf die Wiesen mit den großen Elsbeerbäumen, beginnt man zu verstehen, warum er auf seinen Instinkt vertraute und nicht im Ausland blieb. „Wir haben hier so einen Schatz. Wenn man miterlebt, wie die Bäume wachsen, die man selbst gepflanzt hat, hat man eine Freude im Herzen, die einem niemand mehr nehmen kann. Solche Glücksmomente sind mir mehr wert als alles Geld der Welt.“ Der Jahreskreislauf der Elsbeere bestimmt die Arbeit der Familie. „Von Januar bis April ist es eher ruhiger und wir können uns auf die Produktion von Schnaps, der Haupterzeugung aus der Elsbeere, konzentrieren. Danach beginnen die Mäh-Arbeiten auf den Wiesen, bevor im August die Erntezeit der Obstbäume beginnt. Die Elsbeere selbst ist als letztes dran."
350 Beeren für ein Stamperl
Und die Solitärbäume, die hier seit über 300 Jahre kultiviert werden, benötigen auch die ungeteilte Aufmerksamkeit von Jakob Mayer. Der enorme Arbeitsaufwand, der allein von der Ernte bis zum fertigen Schnaps anfällt rechtfertigt den stattlichen Preis, der je nach Qualität zwischen 300 und 600 Euro pro Liter liegt: Angehängt an eine Leiter, die ebenfalls am Baum verschnürt und am Boden mit Rampen befestigt wird, geht es für Jakob zehn bis fünfzehn Meter hinauf in die Baumwipfeln. „Dort wird jeder Zweig vor der Knospe bereits für das nächste Obstjahr abgebrochen und gleichzeitig die Elsbeeren von Hand gepflückt.“ Ganz schön viel Aufmerksamkeit für die gerade einmal fingernagelgroße Beere. Und als wäre das mühsame Pflücken nicht schon aufwändig genug, das Abrebeln („Oröwen") der Beeren von den Dolden nimmt dann noch einmal soviel Zeit in Anspruch; und ist mit jahrhundertealten Abläufen verbunden. Die ganze Familie und Freunde finden sich einmal jährlich ein, man sitzt in gemütlicher Runde und erzählt sich neben dem "Odlatzbia oröwen" Geschichten. Hin und wieder stimmt dann einer auch ein Lied an. Der gesellige Brauch, der mittlerweile schon hunderte Jahre alt ist und auch in der jüngsten Generation der Mayers mit viel Liebe gepflegt wird, wurde nun sogar von der UNESCO auf die Liste des immateriellen Kulturerbes Österreichs gesetzt. „Keine Maschine kann diese Arbeitsschritte ersetzen, das ist wirklich noch traditionelles Handwerk“, so Jakob Mayer. „Für jedes Stamperl brennt man 350 handgeerntete Beeren, man sollte also wirklich jeden Schluck bewusst genießen!"
Der Hof der Mayers besitzt noch ein Maria Theresianisches Brennrecht: wie in früheren Zeiten werden auch heute noch die Früchte der biologisch bewirtschafteten Streuobstwiesen zu hochwertigen Destillaten gebrannt.
Haus der Elsbeere MO - FR von 10:00 - 16:00 Uhr SA, SO & Feiertage sowie außerhalb der Öffnungszeiten nach telefonischer Vereinbarung.