Vom Feld in die Flasche

Weltweit in aller Munde sind die Destillate von Doris und Josef Farthofer aus Öhling.

28. Mai 2021

Lesezeit: 10 Minuten

Vom Feld in die Flasche

„Obwohl ich auf einem Bauernhof aufgewachsen bin, hat mich die Birnen- und Apfelernte als Kind zugegebenermaßen herzlich wenig interessiert.“

Vom Feld in die Flasche
Vom Feld in die Flasche

"Jeder, der ein Getränk von uns verkostet, soll erkennen, dass wir kein Industriebetrieb sind, sondern dass hinter jeder Flasche viel Arbeit und ehrliches Handwerk steht."

Vom Feld in die Flasche

Hätte eine Hellseherin der zwanzigjährigen Doris Farthofer prophezeit, dass sie einst Traummann und Traumberuf in der Landwirtschaft finden würde, sie hätte lauthals losgelacht und womöglich ihr Geld zurückverlangt. Heute weiß sie, dass das Schicksal stets nach eigenen Regeln spielt. „Ich bin als waschechte Mostviertlerin am Biobauernhof aufgewachsen und habe meine nachhaltige Einstellung zur Natur und den Lebensmitteln von klein auf sprichwörtlich eingeimpft bekommen.“ Doch während andere Kinder im Freibad vergnügt ihren Sommertagen frönten, hieß es für sie am elterlichen Hof kräftig mitanpacken. Rückblickend schmunzelt sie: „Die Birnen- und Apfelernte hat mich als Kind zugegebenermaßen herzlich wenig interessiert.“ Dennoch, die vermittelten Grundwerte waren prägend – und sollten sich noch einmal als echter Schatz erweisen.

Vom Bürostress zur Feldarbeit
Doris Farthofer zog es vorerst in die weite Welt hinaus: „Ich bin ein sehr freiheitsliebender Mensch.“ Selbstsicher und strebsam gründete sie ihr eigenes Unternehmen, behauptete sich in der Produktentwicklung und jettete von einem Termin zum nächsten. Bis sie sich eines Tages die Frage stellte: „Ist es das, was ich für mein restliches Leben tun möchte?“ Die Antwort darauf und die Liebe ließen Doris letztlich zu ihren Wurzeln zurückkehren. „Als ich meinen Mann Josef kennenlernte, hat er bereits mit dem Gedanken geliebäugelt, eine eigene Destillerie für edle Obstbrände zu gründen. Ich verkaufte mein Unternehmen, gönnte mir eine Auszeit, um neue Kraft und Energie zu tanken. Und stieg schlussendlich mit vollem Elan bei ihm in die Landwirtschaft ein.“ Am Hof in Biberbach arbeiten die beiden seither an der Kreation feinster Edelbrände. 2010 eröffneten sie die „Mostelleria“ in Öhling und zählen mit ihrem Sortiment von rund 50 Bio-Bränden und Bio-Likören zu Europas umfassendsten und besten Bio-Spirituosen-Brennern.

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Auf den Most gekommen
In den Regalen des aus dem Jahr 1874 stammenden, denkmalgeschützten Presshauses kann man bei Führungen durch die „Mostelleria“ auch ein ganz besonderes Getränk probieren: Den Mostello, einen köstlichen Birnendessertwein. Ausgangsprodukt ist dabei das Getränk, dem das Viertel sogar seinen Namen verdankt: „Most ist ja das Getränk des Mostviertels und hat hier eine jahrhundertelange Tradition. Ohne ihn würde es das typische Landschaftsbild mit den tausenden Birnbäumen und die schönen Vierkanthöfe nicht geben. Die mächtigen Anwesen, oft auf einem Hügel thronend – die „der Most gebaut hat“, wie man hier sagt – bezeugen, dass die Bauern mit dem Obstanbau damals so richtig reich wurden. In den letzten 20 Jahren gab es auch so etwas wie eine Renaissance des Mostes – der Geschmack der unzähligen Birnensorten ist halt auch unglaublich vielfältig und komplex in seiner Aromatik.“ Mit ein Grund, warum die beiden dieses Obst etwas genauer unter die Lupe nahmen – und auf innovative Art quasi auch salonfähig machten. „Eine Eigenkreation unseres Hauses ist der Mostello, eine Birnendessertwein-Komposition. Hierfür veredeln wir die Mostbirnen nach der Portweinmethode. Vier vollreife, autochthone Mostviertler Birnensorten werden händisch geerntet und schonend gepresst. Der Saft wird angegoren und die Gärung wenig später bewusst durch Zugabe von hauseigenem Bio-Mostbirnendestillat gestoppt. Diese Mischung reift anschließend im gebrauchten Eichenholzfass. Den Mostello kann man ganz hervorragend zu köstlichen Haubenmenüs kredenzen.“ Der internationale Durchbruch gelang den beiden dann aber mit einem anderen edlen Tropfen. 2012 erhielten sie die IWSC-Trophy-Auszeichnung für den weltbesten Wodka 2012. „Vorher waren wir nur eine kleine Bio-Schnapsbrennerei aus dem Mostviertel, aber mit dieser Auszeichnung wurden wir über Nacht in den Spirituosen-Olymp katapultiert.“

Warum Most heute wieder trendy ist
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Vom Feld in die Flasche
Auf die Natur wird das Hauptaugenmerk in allem Tun von Doris und Josef Farthofer gelegt, diese landet ja letztlich auch im Glas, und auch der Leitspruch der Farthofers heißt bezeichnenderweise: „Vom Feld in die Flasche.“ Das Thema Nachhaltigkeit und Authentizität zieht sich entsprechend - und trotz des doch relativ schnellen Wachstums durch alle Bereiche. Elefantengras, das auf den eigenen Feldern angebaut wird, wird zum Beheizen von Brennkessel und Kellerhaus verwendet. Eine eigene Mälzerei sorgt für individuelle Geschmackslinien: „Jeder, der ein Getränk von uns verkostet, soll erkennen, dass wir kein Industriebetrieb sind, sondern dass hinter jeder Flasche eine Familie steht, die eine Landwirtschaft betreibt, die wiederum das Korn anbaut, erntet, reinigt, mälzt, einmaischt, destilliert und für all diese Schritte natürlich auch Mitarbeiter beschäftigt.“ Die Produktionswege werden bewusst kurz gehalten. Zu weite Wege – wie etwa die 13 Kilometer lange Entfernung zwischen den zwei Standorten in Öhling und Biberbach – werden neu gedacht. „Wir planen gerade eine neue Produktionsstätte direkt in Biberbach, um solche Transportwege zu minimieren.“ Seit 2020 gibt es eine außergewöhnliche Symbiose mit dem Stift Seitenstetten: „Für die Lagerung unserer Mostello- und Whiskyfässer dürfen wir die großen Kellergewölbe, die schon seit Jahrzehnten leer stehen, verwenden. Wir zahlen den Mönchen Pacht, die Kellerräume werden wie in früheren Zeiten wieder zur Lagerung von Fässern benutzt. Und wir müssen keine zusätzliche Lagerhalle bauen, können die Natur schonen. Eine absolute Win-win-Situation!“

Leere Keller und zuviele Fässer: die Koop mit Stift Seitenstetten
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"Ohne Most würde es das typische Landschaftsbild des Mostviertels nicht geben."

Zum Betrieb

Sortenreine Kostbarkeiten
Doris und Josef Farthofer produzieren in ihrer Destillerie in Öhling bei Amstetten hochqualitative Fruchtschnäpse und Brände. Zu 100 Prozent bio, versteht sich. In der Mostelleria werden Führungen und Verkostungen durchgeführt. Bei den "Mostviertler Feldversuchen" gibt´s die Getränke der Farthofers zum und im Menü in seiner ganzen Bandbreite zu verkosten.

Destillerie Farthofer
Mostviertelplatz 6
3362 Öhling
Tel: +43 7475/53674
www.destillerie-farthofer.at


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Text: Sabine Ertl
Video, Audio und Fotos: Daniel Gollner

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