Die alte Heimat verlassen, um an einer neuen Adresse Fuß zu fassen – das ist immer ein gewagter Schritt. Marieke Wijne-Slop war mutig. Von Holland zog sie mit ihrem Mann und ihren Kindern nach Österreich. Von Beginn an war klar: Nicht in der Stadt, sondern am Land sollte ihr gemeinsames Domizil liegen. Unweit von Wien fanden sie im Weinviertel ihre neue Heimat. „Wir haben einen Standort gesucht, der sowohl für die Arbeit meines Mannes als auch für die Familie gut funktioniert. Das Weinviertel bietet diesbezüglich eine sehr hohe Lebensqualität, es ist quasi der Garten von Wien. Hier kann man die Jahreszeiten in der Natur hautnah miterleben, Sicherheit genießen und der nächsten Generation zeigen, wo das, was man isst, herkommt.“ Klingt nach einem perfekten Platz, doch gab es da eine winzige Kleinigkeit, die Marieke schlichtweg fehlte. „Ich habe mir einen Ort zum Abschalten gewünscht, ein kleines, feines Kaffeehaus mit guter Musik, wo man sich entspannen kann – wie ich es aus meiner Heimat kannte.“ Und wo es hochwertige Schokolade zu verkosten gab, anstatt der hier üblichen Kuchen- und Tortenbuffets.
„Ich habe mir einen Ort zum Abschalten gewünscht, ein kleines, feines Kaffeehaus mit guter Musik, wo man sich entspannen kann – so wie ich es aus meiner Heimat kannte.“
„Wenn man als Frau mit der Idee, ein kleines Kaffeehaus zu errichten, zur Bank marschiert, rennt man nicht gerade offene Türen ein. Man muss schon bereit sein, wesentlich mehr als 100 Prozent zu geben.“
Selbst ist die Frau
Da es das Gewünschte im Weinviertel noch nicht gab, war für Marieke klar: „Dann muss ich es eben selber machen.“ Der Weg zur Wirtschaftskammer folgte und dank ihrer Ausbildungen im Hotel- und Gastronomiebereich konnte sie alle notwendigen Papiere vorweisen. „Wenn man als Frau mit der Idee, ein kleines Kaffeehaus zu errichten, zur Bank marschiert, rennt man nicht gerade offene Türen ein. Man muss schon bereit sein, wesentlich mehr als 100 Prozent zu geben.“ Doch der Wille war da, die Kreativität ebenso und die Suche nach einem passenden Standort endete schließlich in einer kleinen alten Scheune im Weinviertler Ort Staatz, wo im Laufe der Jahre ein kleines Kaffeehaus, ein Schauraum und die ZART Pralinen-Schokoladenmanufaktur Einzug hielten. Abgesehen vom Vorhaben, selbst ein Kaffeehaus zu eröffnen, hatte Marieke relativ bald nach dem Umzug ins Weinviertel begonnen, selbst Pralinen herzustellen. „Um mich zu beschäftigen, fing ich damals schon an, Schokolade zu kreieren. Doch die produzierten Mengen konnten wir alleine niemals aufessen, daher verkaufte ich sie an eine Bäckerei. Dies war der eigentliche Ursprung meiner Geschäftsidee!“
„Wir möchten Bewusstsein kreieren für das Naturprodukt. Die Menschen sollen mit Herz einkaufen. Der Einkauf bei kleinen regionalen Herstellern muss aber auch leistbar sein.“
An der Weltspitze
Heute werden ihre Schokoladetafeln und Pralinen nicht nur im Weinviertel verkauft, sondern auch in Wien, Deutschland, Paris und Belgien vertrieben. Insgesamt hat Marieke mit ZART Pralinen bereits 16 Preise bei den International Chocolate Awards gewonnen. „Wir können mit Stolz sagen, zu den Besten in Europa zu zählen.“ Gespräche zur Expansion gibt es immer wieder. „Die Kapazitäten sind mit der letzten Investition in neue, größere Geräte verdreifacht worden. Balance ist mir aber ungemein wichtig, zu schnelles Wachstum eher schwierig. Ich möchte nicht rein als Managerin im Betrieb fungieren, sondern weiterhin selbst mitanpacken und Sorten kreieren. Es soll daher eine solide Mischung aus groß genug – und klein genug bleiben.“
„Bean to Bar“
Vom Anfang bis zur Fertigstellung der Schokolade dauert der Arbeitsprozess in Mariekes Manufaktur eine ganze Woche. Angefangen hat sie als Chocolatier – also jemand, der Schokolade verarbeitet. Die Stufe zum Chocolatemaker – zum Hersteller von Schokolade aus Kakaobohnen – folgte alsbald. Die ZART Pralinen-Manufaktur ist einer der ganz wenigen Bean-to-Bar-Hersteller in Österreich, bei welchen die Schokolade von der Bohne weg erzeugt wird. Die Kakaobohnen dafür werden direkt bei den Kakaobauern eingekauft, ohne Zwischenfirmen. „Wir möchten die Kakaobauern nachhaltig unterstützen und es auch den nächsten Generationen in Ländern wie Tansania, Nicaragua und Ecuador ermöglichen, gute Qualität für einen guten Preis zu liefern. Ähnlich wie es beim Wein ist, wächst Kakao nicht überall und variiert je nach Standort im Geschmack, aber auch die Sorgfalt, mit der angebaut und geerntet wird, hat Einfluss auf die Qualität.“ Alle weiteren Rohstoffe für die Herstellung kauft Marieke von regionalen Produzenten aus dem Weinviertel: Honig, Gin, Wein, Gewürze, Kräuter, Weinviertler Port oder gesalzene Kürbiskerne – der Kreativität sind schier keine Grenzen gesetzt. „Wir möchten Bewusstsein kreieren für das Naturprodukt. Die Menschen sollen mit Herz einkaufen, der Einkauf bei kleinen regionalen Herstellern muss aber auch leistbar sein.“
Neben der optimalen Röstung der Bohnen, dem variablen Kakaoanteil und der Geschmackslinie kann man bei der Schokolade an vielen Schrauben drehen. Das macht sich auch bezahlt: Insgesamt 38 Preise hat sie bisher bei internationalen Bewerben abgestaubt, erst im Dezember hat die weiße Schokolade aus der kleinen Weinviertler Manufaktur die Goldmedaille bei den Academy of Chocolate Awards 2020 gewonnen! Für Marieke ist das Schokolade-machen aber auch nach Jahren noch immer learning by doing: „Man muss vieles ausprobieren. Ich tüftle und arbeite oft 80 bis 90 Stunden in der Woche, um letztlich herauszufinden, was funktioniert und was nicht. Es darf aber ruhig einmal etwas schiefgehen, damit es schlußendlich dann gut wird.“
Die Entscheidung für Österreich, für das Weinviertel und für ihre Manufaktur hat Marieke bislang nicht eine Sekunde bereut: „Selbst wenn es anfangs schwierig war, freu’ ich mich heute umso mehr, was aus unserer kleinen Manufaktur geworden ist. Und auch wenn der Erfolg im Ausland teils größer sein mag als in der Heimat, so kommen doch oft Nachbarn oder Kunden zu uns in den Garten, wenn die Manufaktur geschlossen hat, um die Location ihren Freunden und der Familie zu zeigen. Solche Begebenheiten sehe ich als sehr liebevolle Zeichen, dass die Weinviertler doch mittlerweile sehr stolz darauf sind, was wir aufgebaut haben.“
Marieke Wijne-Slop stammt gebürtig aus Holland und hat mit ZART Pralinen eine kleine und besonders feine Schokoladenmanufaktur im Weinviertel errichtet. In einem umgebauten Stadel in Staatz sind die Schaumanufaktur und ein kleines Kaffeehaus beheimatet.